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Ein Hörbericht
„Einmischen - Mitmischen – Selbstmachen!“ So lautete das Motto der ersten integrativen Tagung des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe – BeB. Um an diesem Kongress teilnehmen zu können, reisten mehr als 200 Behinderte und Nichtbehinderte aus ganz Deutschland ins brandenburgische Rheinsberg – und das bei frostigem Winterwetter. Die Reise lohnte sich. Zum ersten mal hat der BeB einen Kongress organisiert, an dem behinderte Menschen von der Vorbereitung bis zur Abschlusserklärung gleichberechtigt mitarbeiten. Ein Behinderter, der sich – gemäß dem Tagungsmotto - einmischt, der mitmischt und der selbst etwas macht ist Anton Bals aus Bielefeld:
O-Ton: Ich war mit bei der Vorbereitung und dem ganzen Aufbau für den Kongress, weil ich mir davon verspreche, dass da Informationen ausgetauscht werden und dass viele einen Blick dafür bekommen, wie kann ich mit diesem oder jenem Problem umgehen, wie kann ich das sogar eventuell beseitigen.
Ein Element des dreitägigen Kongresses sind die vielen Arbeitsgruppen. Hier können sich Betroffene, aber auch Angehörige über die verschiedensten Probleme des Behindertenalltags austauschen. Anton Bals nennt ein Beispiel:
O-Ton: Ein Problem könnte sein, wie gehe ich rechtlich mit diesem oder jenem Problem um und wie kann ich als Behinderter zu dem Recht kommen, dass mir von Amtsseiten durch diesen oder jenen Umstand verwehrt wird.
Die Arbeitsgruppen sind ein wichtiger Teil der Veranstaltung. Doch wesentliches Anliegen der Integrativen BeB-Tagung zur Selbstbestimmung behinderter Menschen ist die Formulierung von Wünschen, Vorstellungen und Forderungen behinderter Menschen in einer gemeinsamen Erklärung. Diese „Rheinsberger Erklärung“ erläutert der Initiator der Tagung Michael Conti, Vorstand des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe:
O-Ton: Hier wird unter den drei Stichworten Einmischen, Mitmischen und Selbermachen beschrieben, was Menschen mit Behinderungen vorhaben, wo sie sich in Zukunft deutlicher einmischen in Bereiche oder gesellschaftliche Situationen, in denen sie bislang nicht beteiligt sind, - wo sie mitmischen wollen. Und es geht natürlich ums Selbermachen. Menschen mit Behinderung tragen auch ihre Verantwortung in der Gesellschaft und sagen: „Ich werde dafür sorgen, dass ich mich als Bürger in meiner Gemeinde in meinen Kreis einbringe und auch dort meine Bürgerpflichten wahrnehme.
Mit wie vielen Vorurteilen und Barrieren Behinderte noch immer zu kämpfen haben, weiß auch Ursula Raphael, die als Mutter einer schwerstbehinderten Tochter die Tagung mit vorbereitet hat. Sie unterstützt die Rheinsberger Erklärung:
O-Ton: Ich wünsche mir, dass die Menschen mit Behinderung und auch deren Angehörige und Assistenten noch gestärkter werden und hier für sich und für ihr weiteres Leben Ideen entwickeln können und sagen: „Das können wir auch!“ - also dieses Mitmischen, Selbstmachen.
Bei allem Eigenengagement wäre die Behindertenkonferenz nicht ohne Unterstützer zustande gekommen. Hier halfen die Aktion Mensch und die Fürst-Donnersmark-Stiftung, die die Räumlichkeiten im barrierefreien Hotel am See in Rheinsberg zur Verfügung stellte. Ihr Geschäftsführer Wolfgang Schrödter empfand die Zusammenarbeit mit den Behinderten als lehrreich, denn gerade bei Menschen mit Lernschwierigkeiten muß man selbst lernen, sich klar auszudrücken:
O-Ton: Wenn wir unsere Gedanken sammeln, auf den Kern bringen und das auch noch verständlich ausdrücken, dann tun wir uns eigentlich selbst in der Verständigung viel Gutes und wir schaffen es auch tatsächlich unsere Zielgruppe zu erreichen. Sogesehen glaube ich, ist gerade dieses Miteinader, gerade dieses „auf die andere Seite gehen“, dieses Überlegen, was kann die andere Seite überhaupt verstehen, von dem was ich da rüberbringen will, ganz hilfreich.
Noch dazu macht die Arbeit im gemischten Team auch Spaß, so Gabriele Reichhardt, stellvertretende Geschäftsführerin des BeB:
O-Ton: Ich bereite ja viele Tagungen vor und hier kamen so viele Ideen. „Ach das können wir mal machen oder jenes“ - ich hatte das Gefühl, dass wird viel bunter als in einer Tagung nur mit Nicht-Behinderten.
So hat die integrative Tagung des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe gezeigt, dass auch eine solch große Veranstaltung gemeinsam mit Behinderten vorbereitet und durchgeführt werden kann. „Einmischen - Mitmischen – Selbstmachen!“ das Rheinsberger Tagungsmotto hat einen vielversprechenden Anfang genommen, muss aber noch zur Selbstverständlichkeit werden, so Anton Bals.
O-Ton: Ich wünsche mir, dass das nicht nur auf dem Papier anders ist und nur leere Versprechungen sind, sondern dass auch wirklich greifbare Veränderungen in der Lebenspraxis existieren.